Warum selber brauen?

1988 stieß ich auf das Buch von Wolfgang Vogel: “Bier aus eigenem Keller” aus dem Verlag Eugen Ulmer. Das Interesse am Brauen von Bier war geweckt.

Doch mit dem Brauen in der eigenen Küche unter Verwendung von Einkochtopf und Windeln konnte ich – und auch die beste aller Ehefrauen – mich nie recht anfreunden. So dauerte es noch zehn weitere Jahre, bis mir das passend erscheinende Equipment zur Ausübung dieses Hobbies über den Weg lief.

Auf Braxonia-Brauanlagen und die Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer in Deutschland e. V. wurde ich durch einen Artikel in der FAZ vom 16. April 1997 mit dem Titel „Brauen ist ein neues Hobby von Managern“ aufmerksam gemacht.

Warum Bier im eigenen Heim brauen – Flucht vor dem Einheitsbier

Leider hatten in den letzten dreissig Jahren zuvor industriell in großen Mengen hergestellte Biere lokale, örtlichen Gegebenheiten und lokal verfügbaren Rohstoffen angepasste Biere verdrängt. Viele kleine und mittelgroße Brauereien konnten dem nicht standhalten und wurden aufgekauft oder/und geschlossen. In vielen deutschen Städten gab nicht einmal mehr eine Brauerei.

Die Biere der großen Brauerein ähnelten und ähneln sich immer mehr. Bei einer Blindverkostung, so bin ich mir sicher und habe es auch mehrfach getestet, können auch die Anhänger des einen oder anderen „Premiumbiers“ ihre Sorte nicht von den anderen unterscheiden, geschweige denn erkennen.

Das Bier verliert durch die Massenfertigung in Großbrauereien wichtige Inhalts- und Geschmacksstoffe, wie ein Vergleich mit unfiltrierten Bieren kleiner Brauereien zeigt.

Die Entfernung dieser Bestandteile ist auch notwendig, um die dem Naturprodukt Bier nicht zuträgliche Behandlung bei Transport, Verkauf und Lagerung zu überstehen:

  • Beim Transport mit einem LKW sind sie im Hochsommer Tempersturen unter der Plane bis >60°C ausgesetzt
  • Ungekühlt warten sie dann im Getränkemarkt oder der Getränkeabteilung eines Supermarktes auf Käufer.
  • Eventuell werden sie sogar zu Werbezwecken vor die Tür in die Sonne gestellt.
  • Und die Mehrheit der Käufer wird das Bier auch nicht kühl (<~8 °C) und dunkel lagern.

All das „überleben“ die industriell hergestellten Biere, ohne sich allzusehr zu verändern.

So haben sich viele dieser industriell hergestellten Biere zu mehr oder weniger bitteren, ansonsten nahezu geschmack- und farblosen Flüssigkeiten verwandelt. In den letzten Jahren wurde allerdings begonnen, am Hopfen zu sparen, nun fehlt dem Bier selbst die Bittere. Wie sagten unsere Altvorderen:

Wasserreich und hopfenarm,
ist ein Bier, das Gott erbarm.

Welch Wunder, dass der Konsum dieser einförmig langweiligen Produkte rückläufig ist.

Auch „neue Trends“ ändern daran wenig. Jetzt gibt es also goldene Biere, die zu allem Überfluss auch noch in farblosen Flaschen offeriert werden – für ein lichtempfindliches Produkt wie Bier natürlich eine hervorragend geeignete Verpackung.

Vorteile des Brauens im eigenen Heim:

HausbrauerInnen sind den Einheitsgeschmack dieser Biere, zumeist als dem Pilstyp zugehörig vermarktet, über geworden. Ein Pils, ein Braunbier, eine Gose, ein … oder ein … selbst herzustellen sind Gründe, sich mit der Herstellung von Bier zu beschäftigen.

Heute nicht mehr hergestellte lokale Variante des Bieres warten auf ihre Wiederbelebung, in Vergessenheit geratene Rezepte können Basis für Experimente werden. Man findet, dass Bier seine Heimat hat. Ursprünglich richtete sich der in einer Region gebraute Biertyp nach den dort vorhanden Rohstoffen, hauptsächlich aber nach der Qualität des Wassers. Ein Pils verträgt sich nun einmal nicht mit an Kalk reichem Wasser.

Dazu kommt die Freude am Selbstgemachten und – man hat immer eine Ausrede, warum sich fässerweise Bier im Keller befindet.

Hausbrauen ist nicht durch Festhalten am Reinheitsgebot begrenzt. Nicht danach zu brauen bedeutet ja nicht zwangsläufig, keine natürlichen Zutaten zu verwenden. Belgische Bierspezialitäten oder gar Frucht- und Kräuterbiere sind Beispiele für im Handel kaum erhältliche Varianten.

Wer ein handwerklich gebrautes, naturtrübes Bier geniessen möchte, kann es es selber brauen. Als Nebeneffekt lernt man die Spezialitäten kleiner, lokaler Brauereien wieder zu schätzen. Und diese haben dankenswerter Weise in den letzten Jahren wieder mehr Freunde gefunden, so dass es mittlerweile wieder eine Vielzahl verschiedener, auch experimenteller Biere für Freunde des Bieres gibt.

Na, denn bis denn und
Prosit
Rolf


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